porYes vs. porNo

nicht-monogamie ist nicht dasselbe wie wildes herumvögeln, und beide sind keine grundbedingungen für die freiheit der liebe. das konzept einer „freien liebe“ wurde von den klischees der nachhippiezeit verzerrt, vom ewigen bild des flowerpower-chauvis der sechziger, der mit offenem hemd und blumen im haar frauen ins ein bett lockte, ohne sich über eine bindung gedanken machen zu müssen. das ist keine freie liebe. freie liebe ist liebe, die ohne besitzansprüche, zwang und unterdrückung auskommt, liebe die nicht gleichbedeutend mit arbeit, pflicht und konformität ist. (judith butler, unsagbare dinge)

eigentlich wollte ich mich auf das thema der pornographie konzentrieren. aber wie immer muss ich erkennen, dass man sich nie auf ein thema allein konzentrieren kann, weil alles so sehr zusammenhängt und die dinge im kontext wahrgenommen noch viel weitreichender erscheinen und dem thema gender und diversität so gerechter werden. deshalb zunächst als warm-up ein schnipsel aus einem aktuellen gespräch, erfrischender weise zum mittagessen. die halbzeit-pause eines acht-stunden-meetings in berlin. mein gegenüber, eine humorvolle und offene frau mit denselben wurzeln hinsichtlich unserer nationalität, erzählt mir von ihrer partnerin. sie arbeitet bei der bundeswehr und zwangsläufig kommen wir zum thema sexualität in der bundeswehr. ich wusste nicht, dass die bundeswehr geschlechtsumwandlungen unterstützt und inzwischen so offen und bekennend mit dem thema der geschlechtervielfalt umgeht. unser gespräch kommt natürlich auf oberstleutnant anastasia biefang, von der ich zuvor noch nichts gehört habe. sicherlich aufgrund dessen, dass ich mich zu jener zeit noch weniger umfassend mit dem thema beschäftigt habe, als jetzt. ich muss sagen dass mich die erzählungen der kollegen mitgerissen haben und auch die recherchen, die ich im nachhinein hierzu getätigt habe. auch wenn jene frau, die mir beim mittagessen davon erzählte, weniger begeistert von der penis-ab-party war, die im zuge der geschlechtsumwandlung am abend zuvor stattfand, habe ich persönlich herzlich darüber gelacht und festgestellt, dass mich diese offenen und ungezwungenen gespräche mit genau solchen menschen gradezu glücklich machen. es fühlt sich richtig und lebendig an, auch wenn ich immer wieder mit themen in berührung komme, die mich irritieren, denen ich mich entfernt empfinde. aber ich habe mir angewöhnt dies bewußter festzustellen, mich selbst zu fragen woran das liegt und offenen herzens und mit einem gehirn das schwammartige eigenschaften aufweist, einzutauchen in diese vielfältigkeit die sich einem eröffnet, wenn man die schranken einer binären mann-frau-wahrnehmung aufbricht.

ich hatte in den letzten jahren das glück, einige menschen kennenzulernen, die mir dabei sehr geholfen haben. die mich mit ihrer eigenen offenheit und den daraus resultierenden gesprächen auf einen weg mitgenommen haben, den ich ansonsten vielleicht nicht erkannt hätte und ich bin sehr froh darüber. die erkenntnis, dass die auseinandersetzung mit andersartigkeit so bereichernd ist und das eigene bewusstsein in seiner flexibilität trainiert, leitet mich letztendlich weiter auf diesem weg, der voller neuer erfahrungen steckt und das ganze leben als unendlich mannigfaltig präsentiert. und dabei ist es völlig egal, mit welchem thema man sich auseinandersetzt. ständig führt das eine zum nächsten, scheint verknüpft mit jenem und angelehnt an dieses. eine nie versiegende quelle aus der man schöpfen kann. und genau so betrachte ich auch das schreiben hier: ich teile meine gedanken mit allen die bereit dafür sind mitzugehen. ich bin ein diversitäts-katalysator.

eine entdeckung am wegesrand, um weiter im bild zu bleiben, ist das thema pornographie. deren status quo und seine entwicklung in bezug auf das thema gender und diversität. denn selbstverständlich lässt sich gender niemals ohne sexuelle ausrichtung betrachten, nicht ohne sexuelles begehren und deren ausprägungen. auch im speziellen die rolle der frau und deren transformation im zuge feministischen aufbegehrens, hat seit geraumer zeit bereits einfluss auf die entwicklung der pornorafischen werke. nicht nur bezüglich der produktionsweisen. auch in bezug auf die weitere öffnung, zugunsten einer vielfältigen betrachtung des themas sexualität, fernab der dualistischen pfade, die unsereins wahrscheinlich in der schule oder zuhause vermittelt bekommen hat. wie in judith butlers zitat eingangs bereits erwähnt, geht es nicht um wildes herumvögeln. sondern um die befreiung der liebe und somit auch der sexualität und damit uns selbst. befreiung aus der konformität und aus den stereotypen ausstechförmchen unserer gesellschaft. übrigens bedeutet dies auch, dass es nicht darum geht die beiden förmchen einfach um ein weiteres zu ergänzen.

die mitbegründerin und verfechterin der befreiung der liebe war victoria woodhull. übrigens die erste frau, die für die presidentschaft in den usa kandidierte und den abolitionisten frederick douglass als wegbegleiter an ihrer seite hatte (über douglass schrieb ich bereits in einem früheren beitrag). sie war sozialistin, feministin, verlegerin, schrieb über politik, sex und freie liebe. und 1872 kandidierte sie etwa 50 jahre vor der einführung des frauenwahlrechts – eine frau die nicht lange fragte was sie tun darf, sondern tat was der freiheit dienlich war. sie setzte sich für die soziale freiheit ein. es ging ihr nicht um dem kampf gegen diskriminierende strukturen, sondern vielmehr darum für eine freiheitliche gesellschaft einzutreten.

erika lust, erotik-filmemacherin, ist ein bekannteres beispiel für den wandel in dieser szene. in ihrem interaktiven projekt xconfessions, verarbeitet sie eine auswahl persönlicher sex-geschichten von nutzern, zu kurzfilmen. und es geht um weit mehr als pornografische lusterhöhung. laut eigener aussage geht es schlussendlich auch darum, die art und weise wie wir über sex sprechen zu revolutionieren. man spricht auch von sex-positivismus. die art und weise wie heutzutage grösstenteils über sex gesprochen wird ist nicht positiv. es liegt immer noch enorm viel frauenfeindlichkeit darin, denn auch durch nicht-aussprechen wird unterdrückung aufrechterhalten. das thema sexualität ist im vergleich zum weiterführenden subthema intimität und lust überpräsentiert. medien und popkultur überschwemmen uns mit sexualität in unterschiedlichster form. grosse brüste, grosse ärsche und grosse schwänze werden als maßstab vorgelegt. aber was man damit macht, bleibt ein tabu. wird nicht thematisiert. das führt zu einer sexualität, die jederzeit verfügbar und konsumierbar erscheint. aber sexuelle sozialisation findet von anfang an statt. jeder von uns bekommt ständig ein verständnis von körper und sexualität vermittelt, weshalb das thema sexuelle aufklärung nicht erst auf die pubertät warten muss – oder darf. aufklärung die darauf abzielt „nicht-schwanger“ zu werden, führt zwangsläufig in eine andere richtung, und somit zu einer anderen selbst-erfahrung, wie jene die die eigene lust und intimität in den mittelpunkt rückt.

as a transmasculine person i want to show my femininity on set, that i’m not one or the other: a man or a woman. i’m a person with a body, i enjoy getting touched and it doesn’t have to be labelled. (finn peaks, dazed artikel)

die befreiung unserer liebe, wird uns allen die möglichkeit geben uns selbst näher zu sein, resistent gegen vorgaben die wir unreflektiert befolgen. sie wird uns offen machen für respekt und wertschätzung von anderem, fremdem, neuem, ohne das gewicht der voreingenommenheit. sie wird uns und die folgenden generationen ermächtigen, wir selbst sein zu können, weil wir die belastung eines vorgeschriebenen, unausgesprochenen wegeleitsystems nicht erst entlarven und dekonstruieren müssen.

es gibt dinge die einen schockieren können. die einem so fremd sind, dass man keinen zugang findet. die man überhaupt nicht nachvollziehen kann. aber in der auseinandersetzung mit dem andersartigen kann neben verständnis vorallem respekt entstehen. und das ist das grosse ziel. über das gesetztlich vorgeschriebene gleichstellungsverhalten hinaus seinen eigenen tellerrand zu verlassen.

uneingeschränkt tauglich

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